Falsch verbunden

Studentenverbindungen sind ein allzu präsenter und umstrittener Bestandteil des studentischen Lebens in Tübingen. Insbesondere im Rahmen des Jurastudiums werden Studierende ab Beginn des ersten Semesters mit dem Verbindungswesen konfrontiert.

Als Jura-Erstsemester kommt man nicht um den Kontakt mit Verbindungen herum: Ob es sich nun um die Attraktion des Stocherkahnrennens handelt, die bekannten Halloweenparties auf den alten Häusern oder gar Erstiveranstaltungen, die der Vernetzung frischer Studierenden an der Uni dienen sollen.

Auch Herr Prof. Jörg Eisele sieht wie so viele andere Professoren der Juristischen Fakultät in der Zusammenarbeit mit Verbindungen kein Problem. Hinter der Verbindungstradition steckt allerdings mehr als nur Bootsschuhe und alte Villen. Getarnt als vereinfachter Einstieg in Studium und die Karrierewelt, verstecken sich hinter vielen Verbindungen reaktionäre Netzwerke.

Besagte Karrierechancen basieren oftmals auf „Pöstchenschieberei“ der Alten Herren und können zu einem Wettbewerbsnachteil für alle exkludierten Gruppen führen. (1) Besonders Frauen sind –wie in den meisten Verbindungen – in der Landsmannschaft Schottland nicht zugelassen. Die „elitären“ Strukturen, die zu erhöhten Karrierechancen führen sollen, wirken für Außenstehende oftmals befremdlich und schwer zugänglich. Entgegen der Aussage vieler Verbindungsmitglieder, jeder könne Teil ihrer Verbindung werden, weisen viele Verbindungsmitglieder bereits eine Familiengeschichte mit Verbindungshintergrund auf. Dies lasse sich damit erklären, dass die in den meisten Verbindungen gewahrten Sitten und Bräuche, lediglich in einem Bruchteil der Gesellschaft bekannt und erhalten werden. Besagte „elitäre“ Strukturen spiegeln sich in veralteten Traditionen, wie dem akademischen Fechten, dem Saufzwang und dem Ehren fragwürdiger Alter Herren wider. Durch Vorträge von Professoren oder Fachschaften, die in den Räumlichkeiten der Verbindungen stattfinden, werden eben diese schädlichen Strukturen normalisiert, perpetuiert und Studierenden nähergebracht.

Ebenso der Vortrag von Herrn Prof. Eisele, der in sich kein kritisches Thema behandelt, jedoch die Reichweite der Landsmannschaft stärkt und somit Studierende näher an die Verbindungskultur heranführt. Zugleich verwehrt es denjenigen Studierenden den Zugang zu spannenden und möglicherweise vorteilhaften Veranstaltungen des Studiums, die sich ungerne unter Bildern von (Nazi-)„Eliten“ vernetzen und bildenmöchten.

Die rechtsoffene Landsmannschaft Schottland, bei der der Vortrag stattfinden soll, ehrt auf ihrer Instagram Seite öffentlich ihren Alten Herren, den nationalsozialistischen Juristen Schönfelder, der bereits 1926 in seiner Dissertation von einer faschistischen Diktatur träumte, während sein Name 2021 aufgrund seiner rechtsextremen Vergangenheit von juristischen Handbüchern gestrichen wurde. Darüber hinaus ist die Landsmannschaft Schottland Mitglied im Dachverband „Coburger Convent“ , der in der Vergangenheit mit Fackelmärschen auf Routen der NSDAP und SA, nicht aufgearbeiteter Hitlergrüße (2) und der Planung von Fahndungsplakaten für unliebsame Journalisten Schlagzeilen (3) gemacht hat. Ganz im Sinne der Vernetzung unterhält die nach rechts offene Landsmannschaft Schottland zudem eine Freundschaft zu der Landsmannschaft Nibelungia Marburg, die im Oktober 2014 aufgrund eines Vorfalls mediale Aufmerksamkeit genoss, bei dem ein Mitglied der Landsmannschaft einen anderen Studierenden infolge eines Streits über ein Einstecktuch mit einem Messerstich getötet hatte. (4)

Nicht nur an der Uni-Tübingen (5) bietet das Jurastudium durch Bewahrung veralteter Studienstrukturen und seinem langsam voranschreitenden Reformvorhaben viel Raum für den Erhalt der ausgrenzenden Verbindungskultur. Dass diese „elitäre“ Parallelwelt zudem noch von Mitgliedern der Fakultät unterstützt wird, trägt dazu bei, dass sich frische Jurastudierende zur Bildung neuer Kontakte und zum Genuss von Studieninhalten einer diskriminierenden Netzwerkstruktur aussetzen müssen.

Außerdem riskiert dieser Umgang mit Verbindungen, dass zukünftige Jurist*innen, die einmal das Recht in diesem Staat tragen sollen, von fragwürdigen „elitären“ Parallelgesellschaften sozialisiert werden.

Wir appellieren an die Fakultät, Herrn Prof. Eisele und an die Studierenden, dass diese traurige und gefährliche Nähe von Lehrenden, Fachschaften und Studentenverbindungen aufhört.

Ihr wollt noch mehr über rechte Umtriebe in Tübinger Studentenverbindungen erfahren?

Hier findet ihr den Reader der FSVV zu Studentenverbindungen von 2005.

Außerdem gibt es über den Coburger Convent einige Recherche die ihr hier einsehen könnt.

(1)  Vgl. Christian Röwekamp, in: Westdeutsche Zeitung, 1.April 2000, gefunden in „Mitbewohner gesucht“ Reader zu studentischen Verbindungen in Tübingen, Ak Clubhausia clubhausia

(2) „Kriminalpolizei ermittelt wegen ‚Hitlergruß‘ beim Coburger Convent“ , in SZ.

„Ermittlungen gegen Polizisten nach Coburger Convent eingestellt“ , in BR.

„Hitlergruß und Polizeiwillkür beim Fackelzug?“ , in NP-Coburg.

(3) „Versammlungsleiter des ‚Coburger Convent‘ tritt zurück“ , in SZ.

(4) „Alles steht still“ , in ZEIT.

(5) …wo in den Rechtswissenschaften nicht einmal das nationalsozialistische Unrecht pflichtmäßig im Studium behandelt wird, obwohl § 5a DRiG eben dies eigentlich vorschreibt!

Bild: Jochen Berger (Pfingstkongress 2018)